B.K.S. Iyengar beschreibt den 8-gliedrigen Pfad als Baum des Yoga.

Der Frühling ist die beste Zeit, um die Kraft der Natur zu bestaunen. Jedes Jahr aufs Neue erwacht die Pflanzenwelt mit voller Energie und entfaltet ihre Blätter- und Blütenpracht. Dieses Bild der Natur und explizit das des Baumes machte sich B.K.S. Iyengar zu eigen, um den Ashtanga-Pada, den achtgliedrigen Pfad des Yoga zu beschreiben. Von den Wurzeln bis zur Baumkrone aufsteigend ordnete er in seinem Buch „Yoga Vrksa. The Tree of Yoga“ (1988) die acht Elemente, die den Weg des Yoga bilden. Körper- und Atemübungen (Asana und Pranayama) sind dabei nur zwei der acht Glieder und somit Teil eines größeren Ganzen.

Wie setzt sich also der Baum des Yoga zusammen?

Tief in den Boden hinein ragen die Wurzeln, die gewissermaßen das Fundament bilden. Es sind die fünf Yamas, ethische Gebote, die ein friedliches Zusammenleben der Menschen ermöglichen und wie Iyengar bereits 1966 in „Licht auf Yoga“ schreibt, „Glaubensformen, Länder, Alter und Zeit transzendieren.“

  • Ahimsa (Gewaltlosigkeit)
  • Satya (Wahrheitsliebe)
  • Asteya (Freiheit von Habsucht)
  • Brahmacharya (Beherrschung der sinnlichen Genüsse)
  • Aparigraha (Freiheit von Besitz)

Yamas disziplinieren die 5 Organe des Handelns: Arme, Beine, Mund, Fortpflanzungs- und Ausscheidungsorgane.

Den Stamm des Baumes bilden die Niyamas, Gebote im Umgang mit sich selbst, die sich ebenfalls auf fünf Punkte aufteilen:

  • Shaucha (Reinheit)
  • Santosha (Zufriedenheit)
  • Tapas (Eifer)
  • Svadyaya (Eigenstudium)
  • Ishvara-Pranidhara (Selbstunterwerfung)

Niyamas kontrollieren die Wahrnehmungsorgane: Augen, Ohren, Nase, Zunge, Mund.

Ausgehend von der Stabilität, die Wurzeln und Baumstamm ermöglichen, entfalten und verzweigen sich die Äste nach allen Seiten hin. Diese stehen für die Asanas.

Pranayama, die Schulung des Atems, manifestiert sich in den Blättern des Baumes.

Prathyahara, das gezielte nach Innen richten der Sinne, das für Asana, Pranayama und vor allem die Meditation notwendig ist, symbolisiert die Rinde des Baumes. Sie bildet eine schützende und zugleich durchlässige Hülle um Stamm und Äste.

Um zur Meditation zu gelangen braucht es zunächst Dharana, Konzentration. Dafür steht im Baum des Yoga der in seinem Inneren zirkulierende Saft.

Iyengar schreibt: „Die Beherrschung von Asanas und Pranayama hilft dem Übenden, den Geist vom Körper loszulösen, und dies führt automatisch zu Konzentration und Meditation.“

Die Blüte schließlich symbolisiert den Zustand der Meditation. Aus ihr erwächst die Frucht des Baumes und im übertragenen Sinne auch die Frucht des Yoga, das höchste Ziel eines Yogi: im Samadhi einen Zustand des tiefen Friedens und der reinen Glückseligkeit zu erlangen.

Vielleicht wirst Du beim nächsten Spaziergang die Bäume um dich herum mit anderen Augen betrachten oder gehst zum Üben mit deiner Matte einmal direkt raus in die Natur, unter einen schönen, großen Baum …

Ich wünsche Dir in jedem Fall viel Freude dabei!
Jolanda